Dämmerschoppen – Fahrt ins Blaue



„Herzlich Willkommen in Bietigheim. Mein Name ist Ursel. Ich bin die Küchenmagd beim Küfer Mayer.“ So begrüßte uns vor dem „Ku(h)riosum“ das waschechte Bietigheimer Plappermaul in der Tracht einer Küchenmagd. Mit ihren Schilderungen entführte sie uns sofort ins 17. Jahrhundert.

Als erstes bejammerte Ursel, dass sie schon über ein Jahr nichts mehr von ihrem Gatten Johann weiß, den der Landesherr dringend bei den Soldaten braucht, weil er ein geschickter Schmied ist. Daheim aber steht jetzt die Schmiede still.

Während des Spazierganges durch die Bietigheimer Altstadt konnten wir die herrlich herausgeputzten Fachwerkhäuser, enge Gässchen und zahlreiche Brunnen bewundern. Dabei plauderte Ursel allerlei aus dem Nähkästchen, zog über ihre Herrschaften her, beschrieb ihren harten, langen Arbeitstag und hielt dabei immer wieder Ausschau nach dem Büttel, der alles streng kontrolliert. Sehr drastisch konnte sie ausmalen, welche Behandlungsmaßnahmen der Physikus oder der Bader anwendete oder welche Mittelchen der Apotheker bereitstellte, denn in Bietigheim war eine der vier Apotheken in Württemberg.

Hart war es für die Stadt, wenn Soldaten einzuquartieren waren und Bietigheim wurde schlimm verwüstet von französischen Soldaten, die nicht nur Häuser zerstörten, sondern auch die „französische“ Krankheit verbreiteten.

Eindrücke von Waschtagen, Markttagen oder Festtagen aber auch vom Alltag stellte Ursel uns vor, so dass man sich mitten drin fühlen konnte. Das Leben wohlhabender Bürger, Kaufleute und Ratsherren, aber auch der niederen Schichten wie Bettler und Taglöhner wurde durch ihre Schilderungen erlebbar.

Nach etwa eineinhalb Stunden schlüpfte sie aus ihrer Rolle und entpuppte sich als Mitarbeiterin im Verkehrsamt. Großer Beifall und ein Präsent belohnte sie für ihre hervorragende und kurzweilige Führung.

Unsere Gruppe war am letzten Donnerstag morgens mit der Bahn angereist, fand sich nach der Führung im Brauerei-Restaurant „Rossknecht im Schloss“ zum Mittagessen ein, hatte danach Zeit für eigene Erkundigungen, machte dann eine Kaffeepause, ehe es wieder mit der Bahn zurück ging. Im Gasthof Muth wurde noch lange über die vielen Eindrücke dieser interessanten Veranstaltung geplaudert. Über eines war man sich einig: So toll hatte noch niemand Bietigheim erlebt. Der Besuch hatte sich wirklich gelohnt.



G. Müller, Vors.